Chinesische Medizin - TCM
Die chinesischen Ärzte verstehen den Menschen als ein energetisches
Gefüge. Das energetische Potential, welches die Chinesen Qi nennen,
durchdringt den Körper, so wie Flüsse und Seen eine Landschaft
durchströmen.
Westliches und östliches Denken
Unsere moderne, naturwissenschaftlich begründete Medizin ist eine somatische, d.h. auf den Körper bezogene Wissenschaft. Die Gegenstände, mit denen sie es zu tun hat, sind etwas Stoffliches, Materielles. Die gedanklichen Voraussetzungen dazu schuf Newton im 17. Jahrhundert mit seinem umfassenden mechanistischen Weltbild, woraus sich ein sehr funktionstüchtiges mechanisches Modell des Körpers entwickelte. Kranksein ist mit morphologischen, messbaren Veränderungen verknüpft und wird als Fehlfunktion von physikalischchemischen und biologischen Mechanismen angesehen, die korrigiert werden müssen. Diese Medizin eignet sich v.a. für Krankheiten, die sich als körperliche Veränderung manifestieren, für fortgeschrittene, ernste, oft lebensgefährliche Krankheiten.
Die chinesische Medizin ist eine funktionale Wissenschaft. Das bedeutet, dass bei ihr lebendige Abläufe, Lebensfunktionen, aktuelles biologisches oder psychisches Geschehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Die chinesischen Ärzte verstehen den Menschen als ein energetisches Gefüge. Das energetische Potential, welches die Chinesen Qi nennen, durchdringt den Körper, so wie Flüsse und Seen eine Landschaft durchströmen. Nach der Erfahrung der alten Ärzte fliesst
dieses Qi auf definierten Bahnen. Diese Bahnen leiten das Qi, zyklisch aufeinander folgend, durch den Körper.
Funktionskreise in der chinesischen Medizin
Die chinesische Medizin beruht auf dem Konzept der Funktionskreise. Sie sind die tragenden Säulen des gesamten medizinischen Systems. Krankheit erscheint als Disharmoniemuster im Funktionskreisgefüge. Krankhafte Veränderungen weisen in spezifischer Weise auf Schwachstellen, Schädigungen, Entgleisungen im Funktionsgefüge hin. Die sich manifestierende Krankheit ist der sichtbare Teil des gestörten individuellen Gefüges. Auf ein Individuum wirken viele energetische Prozesse oder Qi-Einflüsse ein. Alle diese Qi-Einflüsse treffen auf die Oberfläche des Menschen. Diese erste Kontaktinstanz, der Funktionskreis Lunge, gestattet den Austausch mit der Umwelt, lässt entweder die Qi-Einflüsse eintreten oder wehrt sie schützend ab. Die aufgenommenen energetischen Qi-Einflüsse werden anschliessend einer zentralen Instanz, dem Funktionskreis Milz, zugeführt, wo eine Trennung des Klaren vom Trüben stattfindet. Was dem Menschen dienlich ist, wird assimiliert und integriert, was ihm schadet, wird ausgeschieden.
Aktive Lebensäusserungen, sowohl motorische, als auch geistige, emotionale oder intellektuelle bedürfen für ihre Äusserung einer Bündelung, einer Koordination und Kohäsion. Diese aktive Instanz, die nach aussen ausleben lässt, wird als Funktionskreis Herz bezeichnet. Die Ahnenkette, das gesammelte Potential der Vorfahren, das, was sich über Generationen materiell verdichtet hat, gibt den lebendigen Funktionen die nötige Basis. Die angeborene Konstitution, die
Anlagen, Talente und Begabungen sind in diesem grossen Potential, dem Funktionskreis Niere, gespeichert. Der Funktionskreis Leber sorgt dafür, dass Potenzen und Begabungen nach aussen projiziert, mobilisiert werden können. Mit Entschlusskraft, Initiative und Phantasie führt dieser Bereich das Potential aus den Sammelbereichen der Vergangenheit an die Projektionsebene des Funktionskreises Herz.
Diagnostik bei der TCM
Die Betrachtung ist die visuelle Wahrnehmung der Dynamik. Die Zungendiagnose ist ein subtiler Spiegel des energetischen Zustandes. Die Befragung der Beschwerden mit ihren vielfältigen Abhängigkeiten von inneren und äusseren Einflüssen erlaubt die Störung in einen grösseren Zusammenhang einzubetten und ein individuelles Muster zu diagnostizieren. Durch
Tastung der Pulsqualitäten gewinnt man Rückschlüsse auf energetische Veränderungen im Körper, wie einer verminderten Dynamik bei verlangsamtem Puls oder einem Säftemangel bei rauhem Puls.
Die chinesische Weltanschauung geht davon aus, dass der Mensch in die Natur eingebunden ist - aufgespannt zwischen Himmel und Erde und eingebettet in die universale Rhythmik. Der menschliche Körper ist ein Mikrokosmos, in dem sich die grossen kosmischen Zusammenhänge widerspiegeln. Dieselben Kräfte, die das Universum beherrschen, beseelen auch die Natur und bestimmen den Menschen. Die chinesische Philosophie versteht den Menschen als Teil des Kosmos, als einen Faden im universalen Netzwerk. Wenn alle Teile der inneren Landschaft im Menschen miteinander in Harmonie leben, ist der menschliche Körper vollkommen gesund. Die Funktionen sind aber häufig chaotisch und unkoordiniert, was sich als Krankheit manifestiert. Die Diagnostik in der chinesischen Medizin soll über dieses Disharmoniemuster Aufschluss geben.
Chinesische Arzneimittel
Seit ältester Zeit ist die Anwendung von Arzneimitteln das wichtigste, vielfältigste und am feinsten steuerbare Heilverfahren der traditionellen chinesischen Medizin. Pflanzliche und mineralische Stoffe werden in einer individuell zusammengestellten Rezeptur verordnet. Diese Arzneimittel werden gekocht und als Dekokt (Absud) getrunken.
Daneben gibt es auch andere galenische Formen wie Granulate oder Konzentrate. Vor allem für Kinder eignen sich Konzentrate in Tropfenform, in denen die chinesischen Arzneimittel in einer süssen Glycerinlösung aufgelöst sind. Die chinesischen Arzneimittel werden gemäss ihrer Wirkung auf den Menschen nach Geschmacksrichtung, Temperaturverhalten, Wirktendenz und Funktionskreisbezug beschrieben. Die Aussage über das Wirkprofil eines Arzneimittels ist eine notwendige Voraussetzung für einen gezielten therapeutischen Einsatz. Zugleich eröffnet die Arzneimitteltherapie ungeahnte Möglichkeiten in der prophylaktischen und kurativen Medizin.