Kieferorthopädie
Die richtige Stellung der Zähne ist in der Kieferorthopäde wesentlich dafür verantwortlich, Funktionserkrankungen der Zähne, Kiefer, Muskeln und Nerven des Kopf- Schulterbereichs zu verhüten, aber auch zu therapieren.
Zahn- und Kieferfehlstellungen
Angeborene oder erworbene Zahn- oder Kieferfehlstellungen stellen keine Seltenheit dar. Da sie Mundgesundheit, Kauen und Sprechen oft negativ beeinflussen, ist es laut dem Berufsverband Deutscher Kieferorthopäden bei etwa der Hälfte aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland notwendig, korrigierende Behandlungen durchzuführen.
Die häufigsten Ursachen für Fehlstellungen sind zum einen angeborene Defekte wie fehlende oder überzählige Zähne, verlagerte, zu große oder auch zu kleine Zähne. Andererseits können Fehl-stellungen aber auch erworben werden. So kann beispielsweise Daumenlutschen oder das zu langfristige Verwenden des Schnullis dazu führen, dass der Unterkiefer nach hinten verschoben wird. Obere und untere Zahnreihe stehen infolge dessen nicht mehr lückenlos sondern mit mehr oder weniger großem Abstand zu einander.
Auch ein sehr früher Verlust der Milchzähne kann dazu führen, dass die bleibenden Zähne nicht auf den eigentlichen Platz sondern versetzt in die Mundhöhle durchbrechen.
Neben offensichtlichen Abnormitäten deuten bestimmte Anzeichen beziehungsweise Symptome wie zum Beispiel Probleme beim Kauen, Sprachfehler, Schwierigkeiten beim Schließen der Lippen oder Schmerzen im Kiefergelenk, aber auch Kopfschmerzen oder Schnarchen auf einen Zahn- oder Kiefer-fehlstand hin.
Fehlstellungen erkennen, Ausmaß ermitteln
Um das Ausmaß von Fehlstellungen zu ermitteln und entscheiden zu können, welche Behandlungen eingeleitet werden sollten, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die zum Teil beim Zahnarzt, zum Teil beim Kieferorthopäden durchgeführt werden.
Einerseits können bereits Abdrücke von Ober- und Unterkiefer Aufschluss über Zahnfehlstellungen geben, des Weiteren zeigt beispielsweise eine Panoramaröntgenaufnahme den gesamten Mund- und Kieferbereich, wodurch festgestellt werden kann, ob Zähne und Wurzeln korrekt angelegt sind oder ob Zahnanlagen fehlen. Zusätzlich kann ein Fernröntgenbild vom seitlichen Gesichtsschädel ange-fertigt werden. Dies zeigt Größe, Form sowie auch Wachstumsrichtung von Unter- und Oberkiefer ebenso wie die Position der Schneidezähne.
Ein einwandfreies Zusammenwirken des gesamten Kausystems, sprich Zähnen, Kiefermuskeln und Kiefergelenken kann mit einer sogenannten Funktionsanalyse überprüft werden. Außerdem werden mit ihrer Hilfe das Aufeinanderpassen von Ober- und Unterkiefer beziehungsweise der Zahnreihen, Lage und Beweglichkeit der Zunge, korrekte Sprachfähigkeit sowie eine einwandfreie Atemfunktion überprüft.
Häufigste Arten von Fehlstellungen
Überbiss
Angeborene oder erworbene Fehlstellung, bei der die Zähne des Oberkiefers weit über die Zähne des Unterkiefers hinausragen. Diese kann angeboren sein oder wie oben bereits beschrieben durch Daumenlutschen oder zu langes Verwenden des Schnullers entstehen.
Umgekehrter Überbiss
Hier ist der Unterkiefer stärker entwickelt und steht weiter nach vorne als der Oberkiefer. Bei sehr starkem Überbiss stehen die Schneidezähne des Unterkiefers bei geschlossenem Mund vor den Schneidezähnen des Oberkiefers. Das Kinn ist weit vorgestreckt.
Tiefbiss
Normalerweise überdecken die Schneidezähne des Oberkiefers die des Unterkiefers beim Zusammenbeißen zu etwa einem Drittel. Beim Tiefbiss ist die Zahnstellung so, dass die Zähne des Unterkiefers komplett überdeckt werden und im Extremfall sogar den Gaumen erreichen.
Offener Biss
Der offene Biss zeigt sich vor allem, wenn der Bereich der Schneidezähne betroffen ist. Beim Zusammenbeißen entsteht hierbei zwischen der Zahnreihe des Oberkiefers und der des Unterkiefers eine deutliche, oftmals halbkreisförmige Lücke.
Kreuzbiss
Beim Kreuzbiss steht nur ein Teil der Schneidezähne des Oberkiefers nicht auf denen des Unter-kiefers. Einige der Schneidezähne des Unterkiefers stehen beim Zusammenbeißen seitlich über die Zähne des Oberkiefers heraus.
Zahnengstand
Sind zu große Zähne im Kiefer angelegt oder ist der Kiefer insgesamt einfach zu klein, kommt es bei beziehungsweise nach Durchbruch aller Zähne zum Zahnengstand. Dieser ist fast immer angeboren. Eine weitere Ursache kann auch ein sehr früher Verlust der Milchzähne sein. Die bleibenden Zähne wachsen dann häufig nicht direkt an die vorgesehene Stelle sondern haben so viel Platz, dass sie schräg oder versetzt herauswachsen können. Im Laufe des Lebens verändert sich die Zahnstellung vor allem im Unterkiefer bei allen Menschen leicht, was mit der Zeit ebenfalls Zahnengstände aus-lösen kann.
Diastema
Der Begriff Diastema bezeichnet eine normalerweise angeborene, gut sichtbare Lücke zwischen den (mittleren) Schneidezähnen des Oberkiefers. Ursache hierfür ist oft ein zu tief angesetztes Lippen-bändchen, welches verhindert, dass die Zähne enger zusammen stehen können.
Verlagerte Zähne
Wenn Zähne nicht direkt an der vorgesehenen Stelle durchbrechen beziehungsweise ganz oder teilweise im Kieferknochen verbleiben, kann es zu verlagerten oder überlappenden Zähnen kommen. Ein Grund kann auch hier der frühzeitige Verlust der Milchzähne sein oder ein frühes / sehr spätes Durchbrechen der Weisheitszähne.
Generell gilt, dass Zahn- oder Kieferfehlstellungen vor allem im Kindes- und Jugendalter relativ unkompliziert behoben werden können. Ist eine Korrektur durch Ihren Zahnarzt selbst nicht möglich, wird er sie an den entsprechenden Kieferorthopäden oder Spezialisten verweisen.
Im Allgemeinen muss nicht jede Fehlstellung behandelt werden. Sind aber Verschlechterungen zu erwarten, die vor allem bei Kindern durch das Wachstum noch eintreten können, sollte man unbedingt rechtzeitig eine professionelle Behandlung in Anspruch nehmen. Eine bessere Zahngesundheit, Ästhetik und oftmals sogar Sprech- oder Schluckfunktion lohnen diesen Aufwand in jedem Fall.
Fehlende oder überzählige Zähne
Das normale, gesunde Gebiss eines Erwachsenen umfasst mit den Weisheitszähnen 32 Zähne. Für die Sprech- und Kaufunktion ist jeder Zahn des Gebisses wichtig, mit Ausnahme der Weisheitszähne, welche eher rudimentäres Überbleibsel der menschlichen Evolution sind.
Fehlende Zähne
Bei manchen Menschen aber fehlen Zähne von Geburt an. Sie wurden aufgrund kleiner genetischer Defekte im Kieferknochen nicht angelegt. Dieses Fehlen kann deutliche Auswirkungen auf die Ent-wicklung des Kiefers sowie das Kau- und Sprechverhalten haben. Um diese negativen Effekte zu ver-ringern beziehungsweise zu korrigieren, können die fehlenden Zähne durch Implantate, Brücken oder Prothesen ersetzt werden. In einigen Fällen ist eine Verbesserung bereits mithilfe einer Zahnspange möglich.
- Hypodontie: Fehlen ein bis fünf Zähne des Gebisses, spricht man von Hypodontie. Hier ist es in den meisten Fällen so, dass die seitlichen Schneidezähne fehlen
- Oligodontie: Mit diesem Begriff bezeichnet man das Fehlen von 6 oder mehr Zähnen beziehungsweise ganzer Zahngruppen
- Anodontie: Bei Menschen mit dieser Entwicklungsstörung fehlt das gesamte Gebiss. Dieser Defekt tritt meist zusammen mit einer Kiefer-Lippen-Gaumenspalte oder dem Down-Syndrom auf
Überzählige Zähne
Dass mehr als 32 Zähne im Gebiss angelegt sind, ist eher selten. Man bezeichnet dies als Hyper-odontie. Da die überzähligen Zähne die regulären Zähne verschieben, deren Wachstum stören und damit zu Fehlstellungen des gesamten Gebisses führen können, werden sie meist entfernt, zumal es häufig ohnehin so ist, dass die überzähligen Zähne verkümmert und sehr klein sind.
Ursache für über-schüssige Zähne kann beispielsweise eine Teilung des Zahnkeims sein, der im Kiefer angelegt ist. Aufgrund dessen entwickeln sich zwei Zähne, die bei manchen Menschen beide in die Mundhöhle durchbrechen, bei anderen verbleibt einer der Zähne im Kiefernknochen. Am häufigsten tritt diese Teilung bei den Schneidezähnen auf.